Gedichten van enkele dichters rond existentie, landschap en leven

 

Wie sich das Galgenkind
die Monatsnamen merkt

Jaguar
Zebra
Nerz
Mandrill
Maikäfer
Ponny
Muli
Auerochs
Wespenbär
Locktauber
Robbenbär
Zehenbär.

Christian Morgenstern

Wintergedichte, Stuttgart 2001 (Reclam), p. 75

 

Ich weiss nur, dass du meine Demut mehrst…

Ich weiss nur, dass du meine Demut mehrst
und die Gebete in den langen Nächten;
und dass du mich aus meinen tiefsten Schächten
den letzten Trost zu nehmen lehrst,
so, dass ich einmal ungetröstet sterbe.
Glück bist du nicht! -Du bist vielleicht der Erbe
von meiner letzen sanften Melodie,
die, unvollendet, ich noch in mir trage?
Ein Stern vielleicht in meiner dunklen Sage?
Und- es kann sein – dass Gott dich mir verlieh,
damit ich einmal ihn vollendet sage…

Christine Lavant

Lavant, Christine, Zu Lebzeiten veröffentlichte Gedichte, Göttingen 2014 (Wallstein Verlag), p. 33

 

im Anfang steht niemand.
im Anfangsland lag ich und schrie.
am Ende schwieg ich und zieh
ein weiss beschriftetes Spruchband
hinter mir her. was draufsteht?
am Anfang, am Ende der gleiche
Vokal und immer, immer im Liegen
hört ihr meinen Anfang: ich bin
ein Strom, de rin andere mündet
in den wieder andere münden.
ich bin ganz aus Sprache gemacht
ich bin ein irrer Anfangsvokal
Alleinstellungsmerkmal meiner
verlorenen Art, die sprechen muss
um sich selbst zu begreifen. wir
sind allein und jetzt alle zusammen:
dona nobis pacem uns zartem
gefrässigem Alphagetier. ich bin
nicht allein. dus bist nicht allein
wir irren, o Herr, von einem Verhör
zum andern und stecken einander
Messer rein: ich habe, dus hast
nein, wir haben wohl eine Tendenz
zur Ausuferung, also was ist, o
Big Bang, der Anfang vom Argen?
im Anfangsland lag mein Flüsschen
mit Schnabel. am Anfang lag ich
niemand war ich und niemand
werde ich sein. dazwischen bin ich
Stimmgabel aus flüssigem Stoff
ich bin mein eigenes Lied aus dem Off
über ein volkommen weisses
Rapsfeld im Schnee

Ulrike Almut Sandig

Sandig, Ulrike Almut, Ich bin ein Feldvoller Raps verstecke die Rehe und leuchte wie dreizehn Ölgemälde übereinandergelegt. Gedichte. Frankfurt am Main 2016, (Schöffling & Co), p. 9

 

 

peel – collage 35×50 cm

nämlich sind dies
die tage der langsamen zeit-

dass im innern dich friert,
wie wenn immerfort herrschte
ein winter.

nennbar ist nämlich
der himmel am morgen. nennbar ist nämlich
das blau am ende der nacht. die rückkehr der töne
und tiere im flug und all die konturen
im ungemein sichtbaren licht.

und so weit das auge reicht
liegt altes land. hügel bis hinaus zum horizont,
wo die berge immer warten ( auch im regen und bei nacht).
die stumme übereinkunft zwischen wirklichkeit
und welt –

so stehst du dann im wald am hang
und denkst dich windwärts.

der see im tal
sehr still. tief in der mitte
und heller am rand.

Levin Westermann

 

Westermann, Levin, Unbekannt verzogen. Gedichte, Wiesbaden 2012, (Luxbooks.labor), p. 68-69

WINTERPSALM

Noch kein Schnee, der
deine Spur hält
Ich such dich frierend
in mir

Thomas Krämer

 

Krämer, Thomas, Formloser Antrag auf Schnee. Gedichte, Berlin 2005 (Buch und Media – Lyrikedition 2000), p. 33

 

Das Jahr

Wir lernen
Tragen werden vom
Wind der uns leicht
Findet über Deiche und
Blumen bewegt.

Sarah Kirsch

Kirsch, Sarah, Gedichte und Prosa.Werke in fünf Bänden, München 1999 (DTV), Bd. 3, Gedichte, p. 173

 

oneindige

 

Ich betrachte das Weiss, denn auch das Weiss ist vielleicht

symptomatisch, auch das Weiss gehört zu dieser Landschaft.

Maren Kames

 

Wenn ich mich herausnehme aus der Landschaft, wenn ich mich fremd mache und den Blick weit stelle, kann ich versuchen, mir die Landschaft verständlich zu machen. Ich betrachte sie Schollen, die in der Landschaft liegen, in seltsamen Distanzen voneinander entfernt. Es sind Schollen von unterschiedlichler Länge, Dichte und Beschaffenheit. Sie schlagen Schneisen ins Land. Allesamt sind sie angesiedelt auf einer schmalen, scharfen Grenze zu einem ausufernden Weiss. Zugleich sind sie so sehr ins Weiss eingelassen, dass sie kaum zu vermessen sind. Es scheint, sie fransen aus, manche Strecken sich unbestimmt weiter ins Land, manche treten an anderer Stelle wieder auf. Oft bricht etwas einfach ab. Oder scheint wie abgebrochen liegen gelassen. Und trotzdem ist es so, als würden auch die Brüche, als würden auch die Unebenen zu Landschaft gehören.

Maren Kames

Kames, Maren, Halb Taube Halb Pfau, Zürich 2016, (Secession Verlag für Literatur)

 

 

Jeder

Weder Amboss
noch Hammer

jeder sein
eigener Schmied

Entfesselung

grosse Musik
insgesamt
Werner Dürrson

 

33

Glas behält nichts
und erfasst doch alles

der Leere gewachsen
bleibt es erfüllt

Werner Dürrson

 

7

Diese volle Leere
die ich nicht fasse

voll von begreiflichen Dingen
Wolken Bäume Vögel
im Fenster

die ich nicht fasse

Werner Dürrson

 

Dürrson, Werner, Beschattung. Gedichte Band 2, Bühl-Moos 1992 (Elster Verlag), p. 60,170 en 161

 

oneindige

 

die welt is makelhaft ・sie entstand in zufälligen irrläufen aneinander abprallender oder sich verbindender korpusklen – bis sonne erde und mond daraus vorgingen samt einen wenigen an äther der aufsteig um die sterne zu formen – während die erde zerstückelt wurde in territorien der hitze und kälte ・wüsten und meere ・berge und wälder III.2
Raoul Schrott
die gebete im unterholz ・diese stotterei
unserer worte geht auf im sanften echo
der heilsfigur die ihre arme zum a und o
des erdballs ausbreitet ・sich einem allherrscher anheim zu geben
sich beim sterben in ihm zu sehen wird stets nur vorstellung sein:
eine wirklichkeit von geschmolzenem glas
metallsprengsel und stein
wie auch die wahrheit der wir uns jetzt übergeben
ein mosaik ist elementarer teilchen – splitt
den wir zu welt zusammensetzen ・fleisch und bein
in denselben vogelmieren und dornmyrten ・ungreifbares kolorit
wir in dieser erlösung gleichermassen mit uns allein

Raoul Schrott

 

wir glauben zeit zu erleben: doch ist dies falsch ・einjeder erlebt nur momente – momente der erfahrung ・schnipp mit den fingern: da ist ein bild – ein augenblick ・schnipp sie erneut – un da ist wieder nur ein moment ・du denkst zwar dass eines auf das andere folgt doch ist dies illusion: du erinnerst dich bloss im zweiten moment noch an den ersten ・diese erinnerung jedoch ist keine erfahrung vergehender zeit: die erinnerung an den ersten moment ist nur teil des erlebens des zweiten ・alles was wir erleben – alles was real ist – sind einzelne augenblicke XI.

Raoul Schrott

 

die welt bietet sich uns in einer reihe von augenblicken dar ・uns bleibt dabei keine wahl: weder welchen moment wir erleben noch zwischen einem vor oder zurück in der zeit ・in dieser hinsicht ist die zeit etwas völlig anderes als der raum der einem die wahl der bewegung lässt ・das ist kein geringer unterschied: er prägt unsere gesamte erfahrung XII.5

Raoul Schrott

 

wenn alles in gott sein und seiner essenz entflossen sein soll ist es unumgänglich dass er das ist was zuvor in ihm enthalten war: denn es wäre ein widerspruch dass leibhaftige wesen einem gott entsprungen sein können der selbst nicht leibhaftg ist ・gott müsste dem gleichen was er geschaffen haben soll: also materiell sein – und deshalb weder gerecht noch genädig oder eifersüchtig oder sonst irgendetwas das wir ihm zuschreiben ・er bestraft ebensowenig wie er belohnt: ein solcher gott macht nicht mehr aufhebens von uns wie von einer ameise einem löwen oder einem stein・in seinem angesicht kann es weder schönheit noch hässlichkeit geben ・nicht gut noch böse weder vollkommenes oder unvollkommenes ・er lässt sich nicht von den taten der menschen bewegen und begehrt weder ihr lobpreisen noch ihre gebete I.5

Raoul Schrott
sei schmelzendem schnee gleich: der stille wachsen blüten – lass die zunge ihre knospe werden V.II

Raoul Schrott

vieles hängt daran ob man liebt oder geliebt wird ・und auch die nacht vergeht: dann ist arbeit zu tun VI.10

Raoul Schrott

zeit umfasst das universum nur im ungefähren – kommt man ihr zu nahe löst sie sich auf ・alles was existiert zeigt sich allein in einer ansammlung gleichsam erstarrender momente und jeder moment stellt die konfiguration einer ganzen welt dar ・jede dieser figurationen existiert – und wird von jedem darin befangenen wesen so erlebt: als ein augenblick in der zeit – ohne dass sie aufeinander folgen oder es in ihnen eine ordnung gäbe: sie sind bloss ・ausser diesen momenten reiner zeit existiert nichts XI.I

Raoul Schrott

 

wenn wir nach der substanz der welt fragen setzen wir materie als einfach und bewegungslos voraus: dabei wissen wir gar nicht was materie ist – wir wissen bloss wie sie mit anderer materie wechselwirkt ・was ist die essenz eines vogels? eines steins? wir wissen es nicht: wir wissen nu von winzigen korpiskeln ・atomen – und das sie das eigentliche enigma darstellen XIII.I

Raoul Schrott

 

die eigentliche kunst is unsicher zu bleiben – fähig zwei einander widersprechende ideen gleichzeitig im kopf zu halten: das wissen um die vergeblichkeit jeder anstrengung und den glauben an die notwendigkeit des aufbegehrens VIII.2

Raoul Schrott

 

existenz bedeutet nicht bloss da zu sein sondern hervortreten sich zu erheben und zu erscheinen ・aus einem grund zu kommen um sich von den ursachen zu befreien: omne possible existiturire – für eine ureigene zukunft zu existieren ist alles was möglich ist II.I

Raoul Schrott

 

Schrott, Raoul, Die Kunst an nichts zu glauben, München 2015 (Hanser),

 

hart
wijdte

 

OCHTEND

Mooi is de aard
mooi zijn de wolken
mooi is de dag
uitgestrekt de dageraad

zo zong de mens al kijkend naar de stad beneden
waar een batterij van honderd schoorsteenpijpen rookte.

En het boord op tafel werd tot een mysterie
de ader in het voorhoofd klopte van die aanblik
en de mens zijn armen omhoog geheven houdend
lachte, danste er in zijn hemdsmouwen omhen.

De smaak van brood doet aan het zonlicht denken
als je eet kan brood opschieten als een straal
gaand naar zijn werk voelde de mens liefde
en sprak tegen de straatstenen hierover.

Ik houd van de materie die slechts een wervelende spiegel is.
Ik houd van de stroom van mijn bloed de enige oorzaak van de wereld.

Ik geloof in de afbreekbaarheid van alles wat bestaat.
Om niet te verdwalen heb ik op mijn hand een blauwe aderkaart.

Czeław Miłosz

 

Miłosz, Czesław, Gedichten, Amsterdam Antwerpen 2003 (Atlas), p. 15

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